Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2005

Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst, durch Nichtgebrauch dahinschwindet.
(Carl Friedrich von Weizsäcker)


16. April 2024


zurück Übersicht weiter

DER GESCHEITERTE PAPST

Papst Johannes Paul II feierte am 12. März 2000, am „Tag des Vergebens“, einen Gottesdienst. Der Höhepunkt war dabei eine Bitte um Vergebung, mit der sich der Papst für vergangene Verfehlungen der Kirche entschuldigte. Die prominentesten aber bei weitem nicht einzigen Opfer der Kirche waren die Mönche Roger Bacon und Filippo Giordano Bruno sowie der italienische Astronom Galileo Galilei. Papst Johannes Paul II hat trotz seiner unbeugsamen wertkonservativen Haltung nie den Fehler einiger seiner Vorgänger wiederholt, die geglaubt hatten, eine Art göttliches Recht auf Korrektur wissenschaftlicher Theorien zu haben.

Im Mittelalter und in der Renaissance waren schlimme Fehler gemacht worden, aber den größten Fehltritt hat sich ein Papst des 19. Jahrhunderts erlaubt.
Als Erzbischof Giovanni Mastai-Ferretti (1792-1878) zum Papst gewählt wurde, nahm er den Namen Pius IX an. Einflussreiche Theologen hatten damals zu bedenken gegeben, dass die Methode der Dogmenverkündigung die Kirche in eine Sackgasse bringen könnte, doch der Papst war gegenteiliger Meinung. Er behinderte eine Diskussion unter den Bischöfen, indem er die Durchführung regionaler Bischofssynoden untersagte. Da es nach der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis nur wenige Proteste gab, glaubte Pius IX, dass die Kirche auch das Dogma der Unfehlbarkeit akzeptieren würde.

Die Absichten des Papstes wurden durch eine Indiskretion bekannt, worauf sich eine massive internationale Allianz bildete. Priester, Bischöfe und einflussreiche Laien begannen, öffentlich über den Papst zu spotten. Im Gegenzug sorgte die Papstfraktion (die „Ultramontanen“) für eine gottähnliche Verehrung. Pius IX wurde unter anderem „König der Könige“, und „Vizegott der Menschheit“ genannt. Schließlich setzte sich der Papst durch. Das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes wurde am 1. Vatikanischen Konzil verkündet. Im „Syllabus“, einem Katalog von „Zeitirrtümern”, hatte Pius IX zuvor sogar die Verweltlichung und Demokratisierung des geistigen und politischen Lebens verurteilt. Die Veröffentlichung dieser „Kriegserklärung an die moderne Kultur” wurde daraufhin in vielen Ländern verboten.

Pius IX wähnte sich am Gipfel der Macht, bis die Truppen des geeinten Italiens dem damaligen Kirchenstaat ein Ende bereiteten. Das Unfehlbarkeitsdogma, das die weltliche päpstliche Macht absichern sollte, hatte deren Verfall nur noch beschleunigt. Weder Frankreich noch Deutschland noch Österreich-Ungarn eilten dem bedrängten Papst zu Hilfe.

Der am zweitlängsten dienende Papst, Johannes Paul II, hat den elend gescheiterten und am längsten dienenden Pontifex, Papst Pius IX, am 3. September 2000 selig gesprochen.

(Un)fehlbar
Dialog und Prozess
Auf Linie bringen
Irrlehren und Theorien
Die letzte Kränkung

Tycho Brahe
Das geozentrische System
Benedikt und das Diesseits
Göttlicher Kollateralschaden
Der Fürst
Spektrum der Wissenschaft

© 2005 Rudolf Öller, Bregenz


Frontpage Übersicht Sitemap Joker Kontakt und Videos
1996 1997 1998 1999 2000
2001 2002 2003 2004 2005
2006 2007 2008 2009 2010
2011 2012 2013 2014 2015
2016 2017 2018 2019 2020
2021 2022 2023 2024

Helden der Wissenschaft:
Ernst Ruska
(1906-1988)
konstruierte 1931 das erste Elektronenmikroskop, mit dem man Viren sichtbar machen kann. Anti-Viren-Verschwörungstheoretiker haben das bis heute nicht mitbekommen.

Silvia liest

Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

Das Buch ist bei Amazon, bei anderen Online-Händlern, beim Verlag und auch im Buchhandel erhältlich.

Interview zum Buch