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28. März 2024


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ROBOTOX


Einem Forscherteam der Medizinischen Hochschule Hannover ist es in Kooperation mit dem Howard Hughes Medical Institute der Stanford University kürzlich gelungen zu klären, wie die Substanz Botox die Nervenzellen molekular beeinflusst. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse könnten neue Medikamente mit Schmerz hemmender Wirkungsoptimierung sowie Gegengifte entwickelt werden, ließ die Forschergruppe verlauten.

Schönheitsinstitute preisen schon lange das Nervengift Botox als Mittel gegen allerlei Beschwerden an, wobei man sich nicht scheut, diese Substanz mit Begriffen wie „Women & Health“ (Frauen und Gesundheit) oder „Vital aging“ (vitales Altern) in Verbindung zu bringen. Garniert werden die fragwürdigen Lobpreisungen mit Fotos junger, faltenfreier Models. Die trügerische Botschaft ist eindeutig: Spritze Botox und du bleibst jahrelang schön und vital.

Das vom Bakterium „Clostridium botulinum“ stammende Botox ist die Abkürzung für „Botulinum Neurotoxin“, eines der giftigsten Stoffe überhaupt. Es wird in der ästhetischen Medizin zur Glättung von Zornes-, Stirn- und Lachfalten und auch im Hals und Dekolletébereich angewandt. Die Wirkung von Botox beruht auf einer vorübergehenden Lähmung der behandelten Muskulatur für einen Zeitraum von ca. vier bis sechs Monaten. Diese Therapie kann nach Angabe der Schönheitsinstitute beliebig oft wiederholt werden.

Jede Nervenzelle leitet den Reiz elektrisch weiter. Zwischen den Nervenzellen wendet die Natur aber einen chemischen Trick an. Es wird eine Substanz, die man „Neurotransmitter“ (Nervenbotenstoff) nennt, ausgeschüttet. Dieser Botenstoff wird blitzschnell von der Nachbarzelle erkannt, der Nervenreiz kann somit weiterlaufen. Botox bewirkt nun eine Hemmung des Botenstoffs Acetylcholin und blockiert dadurch die Übertragung des Impulses von der Nervenzelle auf den Muskel. Die Wissenschaftlerteams von Hannover und Stanford konnten nun genau klären, was Botox in den Zellen bewirkt. Wird Botox in die Gesichtsmuskeln gespritzt, erlahmen diese für mehrere Wochen. Das Gesicht wird teilweise unbeweglich und maskenhaft, geradezu unfähig, menschliche Gefühle auf natürliche Weise zu zeigen. Durch die erzwungene Lähmung glätten sich kleine Fältchen, was eine vorübergehende optische Verjüngung bewirkt.

Einerseits wird in unserer Wellnessgesellschaft nicht nur das Wohlfühlen, sondern auch das Zeigen von Gefühlen propagiert. Andererseits bewirkt Botox genau das Gegenteil. Das Gesicht erstarrt zu einer beinahe roboterhaften Maske. Vielleicht sollte man dieses Nervengift, das weder mit sanfter Medizin noch mit Schönheit etwas zu tun hat, in „Robotox“ umbenennen.




© 2007 Rudolf Öller, Bregenz


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Hermann von Helmholtz
(1821-1894)
war Arzt, Physiologe, Physiker, Philosoph, kurzum ein Universalgelehrter, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Er war in der Medizin, in der Physik und in der Biologie zu Hause. Respekt!

Silvia liest

Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

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