Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

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Die menschliche Freiheit besteht lediglich darin, dass sich die Menschen ihres Wollens bewußt und der Ursachen, von denen sie bestimmt werden, unbewußt sind.
(Baruch de Spinoza)


29. März 2024


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DER VERGESSENE JESUIT


Marie-Joseph Pierre Teilhard de Chardin wurde 1881 in der Nähe von Clermont Ferrand geboren. Er wuchs unter einem naturwissenschaftlich interessierten Vater und einer streng religiösen Mutter auf. 1905 las er ein Werk über die Evolutionstheorie („L'évolution créatrice“ von Henri Bergson). Sowohl die Religion als auch ein Interesse an den Naturwissenschaften, insbesondere die Biologie, prägten von nun an den jungen Mann. Bereits 1899 trat er in den Jesuitenorden ein. Er studierte Theologie, wurde zum Priester geweiht und schloss ein Studium über Paläontologie (Lehre von den ausgestorbenen Lebewesen) an, das er mit einem Doktorat abschloss. Im ersten Weltkrieg nahm er als Sanitäter an der Schlacht um Verdun teil, was tiefe seelische Spuren hinterließ.

Teilhard de Chardin erhielt eine Professorenstelle am Institute Catholique in Paris. Als wissenschaftlich arbeitender Geologe und Paläontologe reiste er nach Afrika, Indien, Burma und China, wo er gemeinsam mit anderen Geologen einen Schädel des Pekingmenschen entdeckte. Dieser und vergleichbare Funde, wie etwa der Java-Mensch, wurden ursprünglich als „Homo pekinensis“ bezeichnet, später aber der Art „Homo erectus“ zugeordnet. Homo erectus gilt als einer der wichtigsten Vorfahren des „Homo sapiens“. In der Folge beschäftigte sich de Chardin intensiv mit der Entstehung des Menschen und einer theologischen Deutung. Er war damit dem Denken seiner Zeit und der katholischen Theologie so weit voraus, dass er den Zorn der Kirchenfürsten auf sich zog. 1926 verlor er den Lehrstuhl in Paris. Die Veröffentlichung des 1940 fertiggestellten Hauptwerks „Le Phénomène Humain“ (Der Mensch im Kosmos, Taschenbuch Verl. Beck) erlebte de Chardin nicht mehr, denn die Kirche verweigerte damals die Druckererlaubnis. 1951 folgte die vom Orden ausgesprochene Verbannung aus Frankreich.

Teilhard de Chardin starb vereinsamt am Ostersonntag 1955 – von seinem Orden vertrieben, von den Kirchenoberen verachtet und der Welt vergessen - in New York. Es hat über drei Jahrhunderte gedauert, den durch die Inquisition verfolgten und verurteilten italienischen Astronomen und Physiker Galileo Galilei durch Papst Johannes Paul II zu rehabilitieren. Bei Teilhard des Chardin, dem großen Jesuiten, sollte es etwas schneller gehen. Er ist nicht der einzige Wissenschaftler, dem kirchliches Unrecht widerfahren ist, aber bei Teilhard de Chardin ist Sühne von höchster Stelle unabdingbar. Wer sonst als Papst Franciscus, der erste Jesuit auf dem Stuhl des Petrus, sollte dies bewerkstelligen? Teilhard de Chardins 60. Todestag in zwei Jahren wäre eine günstige Gelegenheit, eine große Ungerechtigkeit zu beseitigen.



© 2013 Rudolf Öller, Bregenz



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