Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2004

Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst, durch Nichtgebrauch dahinschwindet.
(Carl Friedrich von Weizsäcker)


16. April 2024


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MORPHIN

Schmerz wird durch Verletzungsreize in dünnen Nervenzellfasern in peripheren Geweben (Haut, Muskeln, Eingeweide usw.) hervorgerufen. Da diese Fasern auf Schaden reagieren, heißen die entsprechenden Andockstellen für Nervenbotenstoffe „Nozizeptoren“ (lateinisch „noxa“ = Schaden). Die Reize dieser Nerven führen zur Freisetzung von Nervenbotenstoffen im Rückenmark. Eine komplizierte Übertragungskette erstattet in der Folge dem Hirnstamm, dann den höheren Hirnzentren Meldung. Dort entsteht schließlich das Gefühl, das wir Schmerz nennen.

Die Gruppe der Opioide, von denen das bekannteste das Morphin ist, hemmen das Schmerzleitungssystem direkt und erregen gleichzeitig im Mittelhirn bestimmte Nervenzellen, die ebenfalls hemmend auf das Schmerzsystem wirken. Die schmerzlindernde Wirkung von Morphin ist daher besonders stark.

Opium, das die Wirkstoffe Morphin und Codein enthält, wird schon seit Jahrtausenden verwendet, um Euphorie, Schmerzfreiheit und Schlaf herbeizuführen. Rohopium gewinnt man aus der Kapsel des Schlafmohns, der u. a. in der Türkei, in Indien und in ostasiatischen Ländern angebaut wird. Der weltweit größte Produzent ist laut Angaben der Vereinten Nationen nach wie vor Afghanistan. Die globale Nachfrage nach legalem Opium beträgt jährlich rund 700 Tonnen, doch ein Vielfaches dieser Menge wird illegal vertrieben.

Mit der Erfindung der Injektion im 19. Jahrhundert wurde die Morphininjektion bei der Schmerzbehandlung allgemein gebräuchlich, vor allem weil es dadurch wesentlich stärker wirkte als nach oraler Verabreichung. Die Ärzte der damaligen Zeit hofften auch, dass das Morphin, wenn es direkt in den Blutstrom gelangte, keine Sucht herrufen würde. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Wie viele Patienten dadurch irrtümlich in eine schwere Morphinsucht hineintherapiert wurden, ist unbekannt.

Auf der Suche nach einer morphinähnlichen Substanz, die keine Sucht bewirken sollte, stieß man im August 1897 auf ein extrem starkes Opioid, das nach einer chemischen Reaktion von Morphin mit Essigsäureanhydrid entsteht und offiziell „Diacetylmorphin“ genannt wird. Diese Substanz wirkt nicht nur schmerzstillend. Negative Empfindungen, wie Sinnlosigkeit und Angst werden schon kurz nach der Einnahme durch ein außergewöhnliches Glücksgefühl überdeckt. Die psychische und physische Abhängigkeit stellt sich schnell nach einem regelmäßigen Konsum ein. Da diese Substanz bei Soldaten, die Ende des 19. Jahrhunderts damit behandelt wurden, Schmerzfreiheit und ein geradezu heroisches Gefühl bewirkte, nannte man das Diacetylmorphin auch „heroic Morphin“, kurz Heroin.

Sommerserie 2004: Drogen
Science online

© 2004 Rudolf Öller, Bregenz


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