Welt der Naturwissenschaften
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Die schönste Frucht der Selbstgenügsamkeit ist die Freiheit.
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27. April 2024


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HOCHMÜTIGKEIT

Die bedeutsamsten Entdeckungen hat uns der Zufall beschert. Das war bei der Gentechnik nicht anders. Die Neugier galt zu Beginn der Siebzigerjahre zunächst der Fähigkeit gewisser Bakterien, gefährliche Viren abzuwehren. Dabei wurde unvermutet eine neue Klasse von Enzymen entdeckt, mit deren Hilfe man Gene zerschneiden konnte.

Die neue Technik sorgte unter den Biologen für Unruhe. Um den amerikanischen Molekularbiologen und späteren Nobelpreisträger Paul Berg scharte sich rasch eine Gruppe von besonnenen Leuten, welche jede weitere gentechnische Forschung nur mit großer Vorsicht weiterbetreiben wollte. Paul Bergs Team veröffentlichte einen Brief in mehreren Fachzeitschriften. Darin wurde vor einer unkontrollierten Fortsetzung gentechnischer Versuche gewarnt. Man hielt einige Experimente für gefährlich.

Im Juli 1974 fand in Washington die allererste Pressekonferenz über die Gentechnik statt. Die Materie war brandneu, daher bemerkte Paul Berg: "Die Reporter wußten nicht genug bescheid um Fragen stellen zu können". Trotzdem brachten die Medien das Thema groß heraus. "Wissenschaftler fordern Verbot für genetische Forschung" waren die Schlagzeilen des Sommers 1974.

Im Februar 1975 trafen sich Genetiker und Journalisten in einer umgebauten Kapelle im kleinen kalifornischen Universitäts-Campus Asilomar. Das Ziel des Treffens sollte eine Einigung über die weitere Vorgehensweise bringen. Ein anwesender junger Wissenschaftler erinnerte sich an seine damaligen Gedanken: "Da sitzen wir in einer Kapelle am Rande des Ozeans dichtgedrängt um einen verbotenen Baum der Erkenntnis und versuchen ein paar neue Gebote zu erschaffen - nur Moses ist weit und breit nicht in Sicht."

Zum ersten Mal in der Geschichte hatten sich Forscher aus aller Welt getroffen um die Chancen und Risiken eines neuen Wissenschaftszweig zu diskutieren. Die Tagung endete mit einem beschlossenen Bündel an Beschränkungen und Absichtserklärungen, welche von den anwesenden Wissenschaftlern als großer Erfolg gewertet wurde.

Heute tönt es anders: Hochmütig wird verkündet, daß die Gentechnik ohnehin nicht mehr aufzuhalten sei. Es gebe fast kein Lebensmittel mehr, das nicht in irgendeiner Phase der Herstellung mit der Gentechnik in Berührung gekommen sei. Ein österreichischer Universitätslehrer warf dem Gesundheitsministerium wegen der zurückhaltenden Vorgehensweise sogar "Borniertheit" und "Hinterwäldlertum" vor.

Die Wissenschaftler dürfen sich nicht wundern, wenn bei dieser Überheblichkeit die Skepsis und Ablehnung in der Bevölkerung rasant zunimmt. Die Forderung des Europaparlaments nach einer Deklaration gentechnisch manipulierter Nahrung erscheint daher berechtigt.

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© 1996 Rudolf Öller, Bregenz


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Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

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